Dienstag, 31. März 2015

Ein Foto - Das kleine Mädchen und die Frau

Ich sitze an meinem Schreibtisch und sehe vor mir an der Wand ein Foto hängen. Selbst nach so vielen Jahren fällt es mir immer wieder schwer entspannt und für längere Zeit genau hinzusehen.

Auf dem Bild sehe ich eine Frau mit langen, welligen, dunklen Haaren und großen, stahlblauen Augen. Sie lächelt - für die Kamera - und sitzt auf einem Stuhl. Ihre linke Hand liegt auf dem Arm eines kleinen, blassen Mädchens von ungefähr 9 Jahren, das genau vor ihr steht und ebenfalls in die Kamera lächelt. Es ist keines dieser typischen "Seht uns an wir sind so glücklich - Bilder" mit großen, künstlichen Lachgesichtern. Es ist dezent und wirkt natürlich, auch wenn beide für den Fotografen lächeln.

Das Bild ist aus den 90ern und eine Kopie des Originalfotos. Daher ist es nicht in bester Qualität, aber es ist das einzige Bild, das ich von meiner Mutter und mir aufgehängt habe und auch wenn ich mich noch an den Tag an dem es aufgenommen wurde ein bisschen erinnern kann - es war die Hochzeit des Bruders meiner Mutter, also meines Onkels - kann ich mich nicht an ein einziges Gefühl erinnern, das im Zusammenhang mit meiner Mutter und mir da war. Sie fehlt mir. Jeden Tag.

Oft frage ich mich, was sie jetzt über mich denken würde. Über ihre erwachsene Tochter. Wie es wäre am Wochenende sie und meinen Vater zu besuchen, wie streng sie in meiner Jugend gewesen wäre, bei meinem ersten Freund und wie oft wir zusammen gekocht hätten und was ich alles von ihr hätte lernen können.

Sie hat es geliebt zu kochen und zu backen und sie konnte es auch verdammt gut. Das hab ich wohl von ihr und eine weitere Leidenschaft ist das Handarbeiten. Das Geschick, das hab ich auch von ihr. Das sagt mein Vater zumindest immer und meine Großeltern =)

Ich frage mich oft, ob ich mich selbst besser verstehen würde wenn ich sie als erwachsenen Menschen hätte kennenlernen dürfen.

Dass wir seelische und vorallem psychische Gemeinsamkeiten haben, das steht außer Frage.

Ihre Schwermut trug sie ganz allein mit sich herum. Manche Menschen sprechen nicht über das, was tief in ihnen vor sich hin brodelt. Sie sprechen nicht mit anderen über das, was sich unaufhörlich durch ihre Seele frisst und sich wie Gift in ihren Adern verteilt. Manche nehmen es als Geheimnis mit in ihr Grab.

Aber ich, ich will euch davon erzählen. Ich will euch teilhaben lassen und versuchen es zu beschreiben, wie es sich anfühlt, wie es mich im Griff hatte und wie daran beinahe zugrunde ging.

Lange habe ich überlegt diesen Schritt zu gehen und ich hoffe sehr, dass ihr euch bewusst werdet nicht die einzigen zu sein denen es so ergeht und erging wie mir. Wie mir und wie viele Jahre zuvor meiner Mutter.

Ich will hier offen schreiben. Über Verlust einer nahestehenden Person,Trauer, Suizid, Depressionen (ich nenne es lieber Schwermut), allein erziehende Eltern, Familie, selbstverletzendes Verhalten, Gefühle usw.

Ich will euch von meinem Weg erzählen. Den Weg von einem kleinen Kind zu einer jungen, starken Frau.

Ein unverfälschter Einblick, der hoffentlich hilfreich ist für alle, die es brauchen, die es wollen und die es sich wünschen.

Nachrichten und auch Kommentare sind jederzeit willkommen =)